Mangels rechtsgenüglich bewiesener Geldwäschereivortat in Tschechien bzw. der Ukraine spricht die Berufungskammer des Bundesstrafgerichts die beiden erstinstanzlich für schuldig befundenen ukrainischen Beschuldigten, darunter den ehemaligen ukrainischen Parlamentarier Mykola Martynenko, zweitinstanzlich vom Vorwurf der qualifizierten Geldwäscherei (Art. 305bis Ziff. 1 und 2 lit. b StGB) frei. Die Beschlagnahme von Vermögenswerten im Wert von rund CHF 3,6 Mio wird entsprechend aufgehoben. Martynenko war seit 2002 Mitglied und seit 2007 Vorsitzender des ukrainischen parlamentarischen Ausschusses für Brennstoff, Nuklearpolitik und Nuklearsicherheit. 2015 entschied er sich aufgrund der von den schweizerischen und ukrainischen Ermittlungsbehörden gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe, als Parlamentarier zurücktreten.
Das Urteil CA.2020.14 betrifft die Berufungen der beiden Beschuldigten sowie von zwei drittbetroffenen Gesellschaften gegen das Urteil der Strafkammer SK.2019.77 vom 26. Juni 2020.
Anklagevorwürfe
Die Anklage wirft den beiden Beschuldigten zusammengefasst vor, von Juli 2009 bis August 2011 bandenmässig die Einziehung von verbrecherischen Vermögenswerten im Umfang von EUR 2,87 Mio. vereitelt bzw. dieses Geld über den Schweizer Finanzplatz gewaschen zu haben. Diese Vermögenswerte soll Martynenko mit Unterstützung des Mitbeschuldigten über Schweizer Bankbeziehungen seiner eigenen panamaischen Offshore-Gesellschaft an Drittempfänger im In- und Ausland überweisen lassen haben. Die genannten Vermögenswerte hätten aus Kommissionszahlungen der tschechischen Lieferantin für Kernkraftwerkkomponenten ŠKODA JS an die panamaische Offshore-Gesellschaft für angebliche Beratungsdienstleistungen gestammt, in Wirklichkeit jedoch Schmiergeldzahlungen dargestellt für den Zuschlag zur Lieferung von Bauteilen an die ukrainische staatliche Betreiberin von Atomkraftwerken NAEK ENERGOATOM. Dadurch sei einerseits NAEK ENERGOATOM und somit dem ukrainischen Staat, bzw. anderseits der tschechischen ŠKODA JS ein Schaden von gut EUR 6,4 Mio. entstanden.
Erstinstanzliches Urteil
Die Erstinstanz erachtete den Anklagevorwurf im Wesentlichen als erstellt und befand die beiden Beschuldigten demgemäss für schuldig. Sie bestrafte Martynenko mit einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 28 Monaten, wovon 12 Monate vollziehbar und 16 Monate bedingt vollziehbar, sowie mit einer bedingten Geldstrafe von 250 Tagessätzen à CHF 1'000.00, mit Probezeiten von je 2 Jahren. Den Zweitbeschuldigten bestrafte sie mit einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten und einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen à CHF 200.00, beide bedingt vollziehbar mit Probezeiten von je 2 Jahren. Nach Auffassung der Erstinstanz seien die Kommissionszahlungen der ŠKODA JS nicht für Beratungsdienstleistungen, sondern ohne legale Gegenleistung erfolgt und würden deshalb Schmiergeldzahlungen darstellen. Martynenko habe als wirtschaftlich Berechtigter der panamaischen Offshore-Gesellschaft durch einen Vertrauten in rechtsmissbräuchlicher Weise den Zuschlag von Lieferverträgen in den staatlichen Vergabeverfahren sicherstellen lassen, wobei es zu Unregelmässigkeiten in den Vergabeverfahren gekommen sein soll. Nach Auffassung der Erstinstanz sei der ukrainische Staat im Ergebnis dadurch um gut EUR 6,4 Mio. geschädigt worden, während ein Schaden bei der tschechischen ŠKODA JS nicht erstellt sei.
Berufungsurteil
Die Berufungskammer des Bundesstrafgerichts kommt hingegen zum Schluss, dass weder fehlende legale Gegenleistungen der panamaischen Offshore-Gesellschaft für die erfolgten Kommissionszahlungen, ein missbräuchliches Einwirken von Martynenko auf die Vergabeverfahren, noch eine Schädigung des ukrainischen Staates bzw. der tschechischen ŠKODA JS rechtsgenüglich erwiesen sind. Demgemäss fehlt es an der angeblich verbrecherischen Herkunft der über Schweizer Bankbeziehungen transferierten Gelder. Zu dieser Erkenntnis kommt die Berufungskammer nach Abnahme diverser zusätzlicher Beweise, vor allem nach der Einvernahme verschiedener vortatrelevanter Schlüsselpersonen (ehemalige Funktionäre der ukrainischen AKW-Betreiberin NAEK ENERGOATOM und der untergeordneten Abteilung ATOMKOMPLEKT sowie eines vertragsunterzeichnenden Mitarbeiters von ŠKODA JS) anlässlich der Berufungsverhandlung, Erklärungen der Mitglieder des ukrainischen Komitees für AKW-Vergabeverfahren und insbesondere vor dem Hintergrund eines am 18. März 2024 ergangenen, denselben Sachverhaltskomplex der angeblichen Vortat (Vorwürfe unter anderem der Veruntreuung durch ŠKODA JS) betreffenden, vollumfänglich freisprechenden Urteils des tschechischen Landgerichts Pilsen. Das Beweisergebnis ergab insgesamt, dass die tschechische ŠKODA JS mittels einer Kooperationsvereinbarung Spezialwissen, Beratung und Begleitung in den ukrainischen AKW-Vergabeverfahren (inkl. Erleichterung der Kreditbeschaffung für NAEK ENERGOATOM) durch einen ehemaligen Kadermitarbeiter des ukrainischen Nuklearsektors in Anspruch genommen und dessen Dienste via Kommissionen über die panamaische Offshore-Gesellschaft bezahlt hatte. Die von der ukrainischen NAEK ENERGOATOM an ŠKODA JS bezahlten Preise bewegten sich offenbar im üblichen Rahmen, wobei Preisänderungen insbesondere mit Währungsschwankungen und Inflationsraten korrelierten. Sodann wurden gleichlautende Kooperationsvereinbarungen von ŠKODA JS zu denselben Bedingungen (inkl. Kommissionen) mit weiteren Sachverständigen nachgewiesen. Es liess sich schliesslich weder direkt noch indirekt beweisen, dass Martynenko seine amtliche Funktion als Parlamentarier bzw. Mitglied/Vorsitzender des parlamentarischen Ausschusses für Brennstoff, Nuklearpolitik und Nuklearsicherheit missbraucht oder entsprechend Einfluss genommen hätte, um der ŠKODA JS den Zuschlag in den AKW-Vergabeverfahren zu sichern bzw. über einen angeblichen Vertrauten in einer Schlüsselposition sichern zu lassen. Die von der Anklage thematisierten Verletzungen von Verfahrensvorschriften in den Vergabeverfahren lassen sich weitgehend mit Besonderheiten im ukrainischen Energiesektor bzw. im politisch-ökonomischen Umfeld während des angeblichen Tatzeitraums erklären. Schliesslich sind weder Beteiligungen an Straf- oder Zivilverfahren noch die Geltendmachung von Schadenersatzforderungen durch NAEK ENERGOATOM oder ŠKODA JS bekannt, noch ein entsprechender Schaden für dieselben effektiv nachgewiesen. Im Ergebnis ist die angeklagte Geldwäschereivortat in der Ukraine bzw. Tschechien nicht rechtsgenüglich erwiesen, was letztlich für beide Angeklagten zu Freisprüchen führt.
Gegen das noch nicht rechtskräftige Urteil der Berufungskammer steht den Parteien nach Erhalt der vollständigen schriftlichen Begründung das Rechtsmittel der Beschwerde in Strafsachen ans Bundesgericht offen. Für die Beschuldigten gilt nach wie vor die Unschuldsvermutung.
Beilage: Dispositiv CA.2020.14 vom 27. Juni 2024
Kontakt:
Estelle de Luze, Kommunikationsbeauftragte, presse@bstger.ch, Tel. 058 480 68 68