13.07.2022
Die Berufungskammer des Bundesstrafgerichts fällte am 12. Juli 2022 ein bedeutendes Urteil in den Bereichen Insiderhandel, Bestechung, Verletzung des Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisses sowie wirtschaftlicher Nachrichtendienst



Die Berufungskammer des Bundesstrafgerichts bestätigt die vorinstanzlichen Freisprüche für die beiden Beschuldigten A. und B. vom Vorwurf der Bestechung (Art. 322octies und 322novies StGB) wie auch grossmehrheitlich die vorinstanzlichen Schuldsprüche bezüglich Verletzung des Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisses (Art. 162 StGB). Während B. vom Vorwurf des wirtschaftlichen Nachrichtendienstes (Art. 273 StGB) vollumfänglich freigesprochen wird, erfolgen gegen A. diesbezüglich zusätzliche Schuldsprüche. Die vorinstanzlichen Schuldsprüche gegen A. bezüglich Insiderhandel werden grossmehrheitlich bestätigt. Gegen A. wird im Ergebnis eine bedingte Freiheitsstrafe von 22 Monaten, eine bedingte Geldstrafe von 148 Tagessätzen à CHF 330 und eine Verbindungsbusse von CHF 6'000 ausgesprochen, betreffend B. erfolgt eine erhebliche Strafreduktion zu einer bedingten Geldstrafe von 210 Tagessätzen à CHF 230 und einer Busse von CHF 6'000.

Das Urteil betrifft die Berufung/Anschlussberufung der Bundesanwaltschaft, die Berufungen der beiden Beschuldigten A. und B. sowie die Anschlussberufung der Privatklägerschaft C. gegen das Urteil der Strafkammer SK.2020.36 vom 22. Juni 2021. 


Anklagevorwürfe
Die Anklage wirft dem Beschuldigten A. mehrfache Verletzung des Fabrikations-/Geschäfts-geheimnisses (Art. 162 StGB bzw. Art. 6 i.V.m. Art. 23 UWG) vor. Er habe in der Zeit von 20. Dezember 2013 bis 2. November 2016 als VR-Mitglied des C.-Konzerns (C. AG) in 14 Fällen deren Geschäftsgeheimnisse an den Zweitbeschuldigten B. (Managing Director der Beratungsgesellschaft Bank 2 GmbH) verraten. Dies, indem A. Letzterem auf elektronischem Weg trotz Verschwiegenheitspflicht unbefugt umfangreiche Unterlagen/Informationen des besagten Konzerns bzw. dessen Tochtergesellschaften zugestellt habe. A. habe B. bzw. der Bank 2 GmbH mit der Weiterleitung Inputs zu Ideen für Geschäfte in anderen Industriebereichen geben und ihn über mögliche neue Aktivitätsfelder für die schweizerische Bank 2 GmbH in Kenntnis setzen wollen. Dies sei insbesondere auch im Rahmen einer Verkaufstransaktion eines Teilbereichs von C. (Projekt C.d) geschehen, in der B. die Kaufinteressentin/Käuferin (ausländische Firma P.) auf der Gegenseite beraten habe. Als VR-Mitglied der C. (Verkäuferin) und gleichzeitig Senior Advisor der Bank 2 GmbH (Beraterin der Kaufinteressentin) habe A. seinen Interessenkonflikt missachtet und seine Geheimhaltungspflichten verletzt. Dem Zweitbeschuldigten B. (Managing Director der Bank 2 GmbH) wirft die Anklage in diesem Zusammenhang ebenfalls mehrfache Verletzung des Fabrikations-/Geschäftsgeheimnisses (Art. 162 StGB bzw. Art. 6 i.V.m. Art. 23 UWG) vor. Er habe die von A. unbefugt erhaltenen Geschäftsgeheimnisse des C.-Konzerns für seine eigene Beratertätigkeit zugunsten Dritter ausgenutzt bzw. zu diesem Zweck an Berater anderer (ausländischer) Geschäftseinheiten der Bank 2-Group weitergeleitet.

Zudem wird A. gemäss Anklage mehrfacher wirtschaftlicher Nachrichtendienst (schwerer Fall) (Art. 273 Abs. 3 StGB) vorgeworfen. Neben den besagten 14 Geschäftsgeheimnissen des C.-Konzerns habe A. in der besagten Zeit auch in 5 Fällen als VR-Mitglied der E. AG deren Geschäftsgeheimnisse trotz Verschwiegenheitspflicht ebenfalls durch elektronische Übermittlung zahlreicher Unterlagen/Informationen unbefugt an B. verraten. A. habe gewusst bzw. in Kauf genommen, dass B. diese geheimen Unterlagen/Informationen im Rahmen internationaler Projekte an Geschäftseinheiten und Personen/Kunden der Bank 2-Group (u.a. im Ausland) weitergeben würde. Für seine Wirtschaftsspionagetätigkeit habe A. im Rahmen seiner Stellung/Tätigkeit als Senior Advisor innerhalb der Bank 2 GmbH eine erfolgsabhängige Entschädigung erhalten. Auch B. wird in diesem Zusammenhang von der Anklage mehrfacher wirtschaftlicher Nachrichtendienst (Art. 273 StGB) vorgeworfen. Er habe als Managing Director der Bank 2 GmbH und schweizerischer Agent der international tätigen Bank 2 Group mehrfach Geschäftsgeheimnisse des C.-Konzerns und in einem Fall der E. AG, welche er von A. unbefugt erhalten habe, Beratern anderer (ausländischer) Geschäftseinheiten der Bank 2 Group ausserhalb der Schweiz zugestellt bzw. zugänglich gemacht.

Die Anklage wirft A. zudem passive Bestechung (Sich bestechen lassen; Art. 322novies Abs. 1 StGB bzw. Art. 4a Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 23 UWG) vor. In seiner doppelten Funktion als VR-Mitglied der C. AG und gleichzeitig Senior Advisor der Bank 2 GmbH habe er sich von B. im September 2016 für den pflichtwidrigen Verrat von Geschäftsgeheimnissen des C.-Konzerns über das Verkaufsprojekt C.d zu Gunsten der Bank 2 GmbH eine Entschädigung («Success Fee») von EUR 138'000 versprechen lassen, diese gefordert und im Oktober 2016 schliesslich angenommen. B. wird in diesem Zusammenhang von der Anklage aktive Bestechung (Art. 322octies StGB bzw. Art. 4a Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 23 UWG) vorgeworfen. Er habe A., den er zuvor als Senior Advisor der Bank 2 GmbH rekrutiert habe, die Entschädigung von EUR 138'000 als Gegenleistung für Beraterdienstleistungen, die im pflichtwidrigen Verrat von Geschäftsgeheimnissen des C.-Konzerns im Rahmen des Verkaufsprojekt C.d bestanden hätten, versprochen und schliesslich die Bezahlung der Entschädigung veranlasst.

Schliesslich wird A. von der Anklage das Ausnutzen von vertraulichen Informationen, d.h. Handel als Primär- und evtl. Sekundärinsider (Art. 40 Abs. 1 aBEHG bzw. Art. 154 Abs. 1 FinfraG) vorgeworfen. Er habe in der Zeit von November 2013 bis Dezember 2016 mehrfach in eigenem Namen oder über seine Einzelfirma/Stiftung die Kenntnis vertraulicher Tatsachen (Insider-informationen) verbotenerweise für Handelsgeschäfte mit Effekten von 11 verschiedenen Gesellschaften (u.a. der C. und der E. AG) ausgenutzt, die er aufgrund seiner Stellung als VR-Mitglied dieser börsenkotierten Unternehmungen bzw. seiner Funktion als Senior Advisor der Beratungsgesellschaften Bank 2 GmbH und EEE. erlangt hatte. Damit habe er einen Gewinn von insgesamt CHF 1'959'000 realisiert.

Insgesamt forderte die Anklage ursprünglich für den Beschuldigten A. eine Freiheitsstrafe von 5 Jahren (unbedingt) und für den Zweitbeschuldigten B. eine solche von 28 Monaten, wovon 14 Monate bedingt vollziehbar (Probezeit 2 Jahre).


Erstinstanzliches Urteil
Mit Urteil SK.2020.36 vom 22. Juni 2021 sprach die Strafkammer des Bundesstrafgerichts die Beschuldigten A. und B. von den Vorwürfen der Bestechung in dubio pro reo frei und wies die Zivilforderung der Privatklägerin C. auf Herausgabe der Bestechungszahlung von EUR 138'000 vollumfänglich ab. Dies, weil der wirkliche Zweck der Zahlung der EUR 138'000 nicht habe ermittelt werden können. Die Schadenersatzbegehren der Privatklägerschaft C. wurden auf den Zivilweg verwiesen. Bezüglich des Vorwurfs der Verletzung des Fabrikations-/Geschäftsgeheimnisses wurden die beiden Beschuldigten von der Vorinstanz in 12 von 14 (A.) bzw. in 7 von 8 (B.) Anklagepunkten für schuldig befunden. Bezüglich des Vorwurfs des wirtschaftlichen Nachrichtendienstes wurden die Beschuldigten von der Vorinstanz in 7 von 19 (A.) bzw. in 6 von 7 (B.) Anklagepunkten für schuldig befunden. In Bezug auf A. erfolgten die Schuldsprüche bezüglich wirtschaftlichen Nachrichtendienstes nur im Zusammenhang mit den Übermittlungen von Geschäftsgeheimnissen der C. mit Bezug zum Verkaufsprojekt C.d, bei welchem A. die Agentenstellung von B. bewusst gewesen sei. Für die ausserhalb des Projektes C.d übermittelten Geschäftsgeheimnisse der C. sowie der E. AG wurde bei A. das Bewusstsein bezüglich Agentenstellung von B. verneint, weshalb in den betreffenden Anklagepunkten Freisprüche ergingen. Aufgrund der Menge/Art der übermittelten Informationen sowie der nicht erheblichen Gefährdung der nationalen Volkswirtschaft verneinte die Vorinstanz die Tatvariante des schweren Falls von wirtschaftlichem Nachrichtendienst (Art. 273 Abs. 3 StGB). Schliesslich befand die Vorinstanz den Beschuldigten A. in 21 von 23 Anklagepunkten des Handels als Primär- und Sekundärinsider schuldig, wobei der mit den inkriminierten Transaktionen erzielte Gewinn insgesamt CHF 2'045’575.10 betragen habe. 

Die Vorinstanz sprach für A. eine bedingte Freiheitsstrafe von 24 Monaten (Probezeit 2 Jahre) sowie eine Verbindungsbusse von CHF 10'000 aus, für B. eine bedingte Freiheitsstrafe von 12 Monaten (Probezeit 2 Jahre) sowie eine Verbindungsbusse von CHF 8'000. Sie verpflichtete beide Beschuldigten jeweils teilweise zur Leistung von Entschädigungszahlungen an die Privatklägerschaft C. Im Umfang des von A. erzielten Gewinns (soweit noch nicht durch die FINMA eingezogen) wurde eine Ersatzforderung zugunsten der Eidgenossenschaft begründet. 


Berufungsurteil
Mit Urteil CA.2021.19 vom 12. Juli 2022 spricht die Berufungskammer des Bundesstrafgerichts die beiden Beschuldigten A. und B. bezüglich der Bestechungsvorwürfe mit derselben Begründung in dubio pro reo frei und weist die Zivilforderung der Privatklägerschaft C. auf Herausgabe der Bestechungszahlung im Umfang von EUR 138'000 ab. Sie befindet A. in 12 von 14 Anklagepunkten und B. in 5 von 8 Anklagepunkten der Verletzung des Fabrikations-/Geschäftsgeheimnisses für schuldig. Bezüglich des Vorwurfs des wirtschaftlichen Nachrichtendienstes befindet sie A. in 15 von 19 Anklagepunkten für schuldig. Entgegen der Vorinstanz erachtet die Berufungsinstanz beim Beschuldigten A. das Bewusstsein um die Agentenstellung von B. in sämtlichen Sachverhaltskomplexen (also auch ausserhalb des Verkaufsprojekts C.d) als erstellt. Im Umfang der entsprechenden Schuldsprüche gegen A. stellt die Berufungskammer zudem dessen grundsätzliche Schadenersatzpflicht gegenüber der Privatklägerschaft C. fest. Der Beschuldigte B. wird vom Vorwurf des wirtschaftlichen Nachrichtendienstes zweitinstanzlich vollumfänglich freigesprochen. Dies insbesondere, weil der Tatbestand durch die Weiterleitung der Geheimnisse durch A. an B. bereits erfüllt ist und durch Letzteren nicht noch einmal erfüllt werden kann.

Schliesslich wird A. bezüglich der Vorwürfe des Insiderhandels zweitinstanzlich in 17 von 23 Anklagepunkten für schuldig befunden, wobei im Vergleich zum vorinstanzlichen Urteil 4 zusätzliche Freisprüche ergehen. Der mit den massgeblichen inkriminierten Transaktionen erzielte Gewinn beträgt gemäss zweitinstanzlicher Feststellung insgesamt CHF1'983'237.50. 

Die Berufungskammer erachtet für den Beschuldigten A. eine bedingte Freiheitsstrafe von 22 Monaten (Probezeit 2 Jahre), eine bedingte Geldstrafe von 148 Tagessätzen à CHF 330 (Probezeit 2 Jahre) sowie eine Verbindungsbusse von CHF 6'000 als delikts- und verschuldensangemessen. Sie spricht für den Beschuldigten B. eine bedingte Geldstrafe von 210 Tagessätzen à CHF 230 (Probezeit 2 Jahre) und eine Busse von CHF 6'000 aus. Beide Beschuldigten werden je teilweise zu Entschädigungszahlungen an die Privatklägerschaft C. verpflichtet. Im Umfang des zweitinstanzlich anerkannten von A. erzielten Gewinns (soweit noch nicht durch die FINMA eingezogen) wird die Ersatzforderung zugunsten der Eidgenossenschaft bestätigt. 

Gegen das noch nicht rechtskräftige Urteil der Berufungskammer steht den Parteien nach Erhalt der vollständigen schriftlichen Begründung das Rechtsmittel der Beschwerde in Strafsachen ans Bundesgericht offen. Für beide Beschuldigten gilt nach wie vor die Unschuldsvermutung.


Beilage: Dispositiv CA.2021.19


Kontakt:
Bundesstrafgericht, Estelle de Luze, Kommunikationsbeauftragte, presse@bstger.ch, Tel. 058 480 68 68





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